Yannick Chabloz arbeitet am Comeback
23.01.2023
Yannick Chabloz wird in den Weltcup zurückkehren. Ob noch im Winter 2022/23, ist offen. Der Nidwaldner hat aus der Vergangenheit gelernt und will nichts überstürzen. Die Rückkehr auf die Skier könnte Mitte Februar erfolgen.
Wenn man von Yannick Chabloz sagt, dass er mit Rückschlägen umzugehen weiss, dann ist das eine Feststellung mit bitterem Nachgeschmack. Aber sie trifft zu. Der 23 Jahre alte Nidwaldner verpasste im Januar 2022 die Teilnahme an der Lauberhorn-Abfahrt wegen einer Coronaerkrankung. Am 10. Februar stürzte er in der Kombi-Abfahrt bei den Olympischen Spielen von Peking. Die Folgen: eine komplizierte Fraktur des linken Handgelenkes – inklusive Verletzung von Nerven und Arterien – sowie Brüche im Bereich der Handwurzel und des Schulterblattes. Saisonende und die schmerzliche Feststellung: „Skirennen am TV schauen tut dem Vollblut-Rennfahrer weh“.
Nach einer ersten Operation in China erfolgte im März 2022 ein nächster Eingriff in der Schweiz. „Ein Pianist wird jetzt wohl nicht aus mir. Das aber hatte ich ohnehin nicht wirklich vor“, scherzte Chabloz damals. Vielmehr widmete er sich der Reha und später der Vorbereitung auf den nächsten Winter. Denn der Aufsteiger des Ski-Winters 2021/22 hatte im Sinn daran anzuknüpfen, was ihn letztlich an die Spiele nach Peking gebracht hatte: an jenen Leistungen, die zu Top-Resultaten bei Speed-Rennen im Europacup und Weltcup geführt hatten. Bei den ersten Resultaten des Winter 2022/23 lagen Anspruch – oder besser Hoffnung – und tatsächliches Ergebnis noch auseinander. Aber mit jedem gefahrenen Kilometer wuchs das Selbstvertrauen und das Vertrauen in den wieder gesunden Körper.
Dann kamen der 27. Dezember und das zweite Abfahrtstraining in Bormio. Bei einem Sprung stürzte Chabloz, prallte mit Kopf und Rücken auf der eisigen Piste auf und landete in den Sicherheitsnetzen. Eine Dornfortsatzfraktur in der unteren und Impressionsfrakturen in der oberen Brustwirbelsäule wurden diagnostiziert. Eine Operation war nicht nötig, Chabloz stand aber am Beginn einer längeren Reha. Schon wieder. Die ersten Tage seien schmerzhaft gewesen, gesteht Chabloz. „Im Bett liegen tat weh. Von der einen auf die andere Seite drehen tat weh. Aufrichten und Aufstehen tat weh. Mit dem Abklingen der Prellungen und Blutergüsse aber ging es dann besser“, sagt er.
„Mit etwas Ruhe und Geduld werde ich sehr bald stärker zurückkommen. Als Abfahrer muss man das Risiko eingehen, um zu gewinnen. Das tue ich auf jeden Fall und jetzt bezahle ich den Preis – das gehört dazu“, schrieb er einen Tag nach dem Unfall. Und eben diesen „Preis“ ist der zur Pause gezwungene Rennfahrer noch am „Abstottern“. Zur Gänze bezahlt ist er noch nicht. „Immerhin hat es keinerlei Komplikationen gegeben. Im Alltag habe ich keine Probleme, ich fühle mich wieder gut und die Rückkehr auf die Skier sollte bald möglich sein“, sagte der Nidwaldner auf Anfrage. Für eben diese Rückkehr entscheidende Röntgenbilder sind gestern Montag gemacht. Und es schaut gut aus. Aber davon, dass er sofort die Taschen packen und am Wochenende in Orcieres Merlette (FRA) die Europacup-Abfahrten bestreiten werde, geht Chabloz aber nicht aus. „Das wäre wohl zu riskant. Es ist besser, mit einigen Trainingseinheiten das Vertrauen wieder aufzubauen und nichts zu forcieren.“ Vorerst werde er das Konditionstraining steigern, die Rückkehr auf die Skier könnte, wenn alles passt, Mitte Februar erfolgen. Dazu bedarf es eines gesunden Körpers und der nötigen mentalen Verfassung. Um beide Voraussetzungen zu erfüllen, muss sich ein Athlet die dazu notwendige Zeit geben. Chabloz ist gewillt, genau das zu tun. Aus dem Unfall von Peking, respektive aus der Rückkehr nach dem vermeintlichen guten Gefühl beim Comeback habe er gelernt. „In der Saisonvorbereitung und auch in Lake Louise hatte ich noch Mühe. Vielleicht hätte ich mir mehr Zeit für die mentale Verarbeitung und bei Müdigkeit dem Körper mehr Ruhe geben müssen. In Val Gardena Mitte Dezember war ich annähernd dort, wo ich sein wollte. Aber halt noch nicht ganz. Auch vor Bormio hatte ich kein uneingeschränkt gutes Gefühl. Das Abfahrer-Herz schlug aber lauter und wollte davon nichts wissen. Dann passierte der Sturz in Bormio.“ Daraus wolle er lernen und die Planung für ein erneutes Comeback optimieren. Eine erste Massnahme hat er umgesetzt. Chabloz arbeitet neu mit einem Mentaltrainer zusammen. „Ich will die Trümpfe in der Hand halten“, sagt der Rennfahrer. Vielleicht beginnt das neue Spiel dann halt auch erst im Winter 2023/24 – bis dahin wird er alles dafür tun, dass er mit den besten Karten in dieses Spiel einsteigen kann.
(K)eine Debatte um den Airbag
Yannick Chabloz fährt die Skirennen mit Airbag. Dennoch hat er sich beim Sturz in Bormio die im Artikel erwähnten Verletzungen zugezogen. Es gibt Theorien von Experten, dass die Verletzungen allenfalls wegen der im Rückenpanzer untergebrachten Elektronik und der Druckluftpatrone im Airbag entstanden sein könnten. Die Diskussion über Sinn und Zweck des Airbags gab es bereits 2015 nach einem Sturz des Österreichers Matthias Mayer in Gröden. Mayer brach sich damals zwei Brustwirbel. Ein heftiger Kritiker des damaligen Airbag-Systems war der Amerikaner Ted Ligety. Ähnliche Diskussionen kamen Ende August 2021 nach einem Trainingssturz des Deutschen Abfahrers Manuel Schmid auf. Dieser zog sich in Saas-Fee Verletzungen an den Brustwirbelfortsätzen, sowie einen Kreuz- und Innenbandbandriss im rechten Knie zu.
„Dank des Airbags habe ich beim Sturz in China keine Gehirnerschütterung oder noch Schlimmeres davongetragen“, sagt Chabloz. Man werde jetzt prüfen, ob die jüngst erlittenen Verletzungen allenfalls im Zusammenhang mit dem Airbag stehen. Gegebenenfalls werde man die richtigen Schlüsse – auch für die Verbesserung des Systems – ziehen. „Ich bin aber klar ein Befürworter des Airbags und werde diesen weiterhin verwenden“, sagt Chabloz.
Dieser Text ist in Zusammenarbeit mit der „Luzerner Zeitung“ entstanden