Keine Lauberhornrennen mehr? Das OK schlägt Alarm

Der Hundschopf, ein Wahrzeichen der Lauberhornrennen. – Foto: GEPA pictures

20.05.2020

Stehen die traditionsreichen Lauberhornrennen vor dem Aus? Der Streit zwischen Swiss Ski und den Lauberhorn-Organisatoren scheint zu eskalieren. In einer Medienmitteilung heisst es: "Swiss Ski will Wengen die Lauberhornrennen entziehen". Swiss Ski äussert sich zu den Vorwürfen in einem knappen Statement.

Der Hundschopf, ein Wahrzeichen der Lauberhornrennen. – Foto: GEPA pictures

Der heftige Streit zwischen Swiss Ski und den Organisatoren der Lauberhornrennen eskaliert. Der nationale Skiverband hat offenbar bei der FIS ab 2022 die Streichung der Lauberhornrennen aus dem Weltcup-Kalender beantragt. Das OK der Lauberhornrennen ist heute Mittag (20. Mai) mit folgender Mitteilung an die Öffentlichkeit gegangen (Text im Wortlaut, Reaktionen und weitere Recherchen folgen später).

“Wie öffentlich bereits bekannt ist, strebt das OK der Internationalen Lauberhornrennen seit Langem eine Einigung mit Swiss Ski an, was die Aufteilung von am Anlass in Wengen generierten Geldern betrifft. Nach einem kürzlich ergangenen Zwischenurteil des CAS versuchte das OK erneut, mit Swiss Ski Gespräche bezüglich einer gütlichen Einigung der Angelegenheit aufzunehmen. Eine materielle Reaktion von Swiss Ski blieb bisher aus. Nun hintergeht offensichtlich Swiss Ski die Lauberhornrennen und den Skirennsport: Wie die FIS dem OK mitteilte, will Swiss Ski die Lauberhornrennen vom Rennkalender streichen lassen. Ein entsprechender Antrag wurde an der heutigen Sitzung des Worldcup-Subkomitees der FIS eingebracht. Dies, obwohl Swiss Ski-Präsident Urs Lehmann nur wenige Tage zuvor in verschiedenen Interviews öffentlich die grosse Wichtigkeit der Lauberhornrennen betonte.

Wie verschiedene Medien in der Vergangenheit bereits berichteten, befinden sich die beiden Partner Internationale Lauberhornrennen Wengen und Swiss Ski in einem Verfahren vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS. Dabei geht es im Kern um eine vertraglich zugesicherte und gerechtere Verteilung der am Anlass in Wengen generierten finanziellen Mittel. Eine gerechtere Verteilung ist nötig, damit der Veranstalter vor Ort den Anlass und die zunehmenden Risiken langfristig finanzieren kann. Nur so sind attraktive Rennen vor Ort möglich, welche Swiss Ski im Gegenzug die Finanzierung ihrer Leistungen zu Gunsten der Schweizer Skirennfahrer erlauben.

Vorgeschichte
Swiss Ski legt mit den Schweizer Veranstaltern von internationalen Skisportanlässen die Konditionen für die Durchführung der Rennen jeweils in 5-Jahres-Verträgen fest. In den Jahren 2016 und 2017 konnten sich das OK der Lauberhornrennen und Swiss Ski nicht auf die Modalitäten für die Vertragsperioden 2018 bis 2022 einigen. Auf Initiative der Lauberhornrennen fanden noch bis anfangs 2018 weitere Gesprächsrunden statt, in welchen das OK Wengen jeweils Kompromissvorschläge einbrachte. Swiss Ski hielt jedoch trotz steigenden Einnahmen aus dem Anlass an den alten Konditionen fest. Diese Haltung zementierte die Ausgangslage, wonach die steigenden Risiken der Veranstaltungen an die Organisatoren vor Ort delegiert werden. Wie in den Verträgen vorgesehen, sah sich das OK der Lauberhornrennen daher Mitte 2018 gezwungen, den Internationalen Sportgerichtshof CAS anzurufen, um eine Einigung herbeizuführen. Obwohl seit 2017 ein vertragsloser Zustand herrscht, man sich während den Rennen 2018 bis 2020 in einer Auseinandersetzung vor dem CAS befand und kein schriftlicher Veranstaltervertrag vorlag, organisierte das OK der Lauberhornrennen in diesen drei Jahren erfolgreiche Wettkämpfe, welche bei Swiss Ski hohe Einnahmen generierten (insbesondere aus nationalen und internationalen Fernsehrechten).

Zwischenurteil des CAS
Im Frühjahr 2020 erging ein Zwischenurteil des CAS. Das OK der Internationalen Lauberhornrennen hält sich an die Abmachung, wonach über den Inhalt des Zwischenurteils nicht berichtet wird. Das OK nahm jedoch das Zwischenurteil zum Anlass, erneut das Gespräch mit Swiss Ski zu suchen, um eine gütliche Einigung unter den langjährigen Partnern herbeizuführen. Bis heute liegt dazu keine materielle Reaktion von Swiss Ski vor. Die neuesten Entwicklungen können nur dahingehend gedeutet werden, dass Swiss Ski nach dem Zwischenurteil nicht mehr mit einem Obsiegen vor dem CAS rechnet, aber trotzdem die Vergütungen nicht anpassen will. Sind keine Gespräche mit Swiss Ski möglich, wird das OK der Lauberhornrennen zu seinem Bedauern die Fortsetzung des CAS-Verfahrens verlangen müssen. Aus der Sicht des OK wäre mit etwas gutem Willen eine einvernehmliche Lösung möglich.

Swiss Ski will Lauberhornrennen aus dem Rennkalender streichen lassen
Die neuesten Entwicklungen sind nun alarmierend: Am 18. Mai 2020 wurde dem OK der Lauberhornrennen von der FIS mündlich mitgeteilt, dass Swiss Ski gegenüber der FIS verlangt habe, die Lauberhornrennen künftig aus dem Weltcupkalender zu streichen. Zusätzlich wurde die FIS angewiesen, diesen Antrag dem OK der Lauberhornrennen gegenüber zu verschweigen. Dieses Vorgehen ist einer langjährigen und erfolgreichen Partnerschaft absolut unwürdig, und entspricht in keiner Art und Weise einer Good Governance. Aus der Sicht des OK der Lauberhornrennen brüskiert Swiss Ski damit nicht nur einen langjährigen und treuen Partner, der mit der aufwändigen Durchführung von hochstehendem Skirennsport während langen Jahren hohe Einnahmen für Swiss Ski ermöglichte, sondern auch den internationalen Skirennsport: Wegen der fehlenden Bereitschaft von Swiss Ski, im Gespräch Lösungen zu finden, soll es den Athleten nun verunmöglicht werden, eines der weltweit attraktivsten Rennen zu bestreiten. Offensichtlich sieht sich Swiss Ski nicht in der Lage, partnerschaftlich am Verhandlungstisch eine Lösung zu finden, wie das unter Sportlern üblich ist. Mit maximalem Druck soll das OK in Wengen zur Aufgabe gezwungen werden. Die FIS teilte Swiss Ski offenbar mit, dass ein Antrag auf Rückgabe von Weltcuprennen an der Sitzung des Worldcup-Subkomitees zu erfolgen habe. Dies ist heute geschehen. Zusätzlich wurde Swiss Ski darüber informiert, dass die Rennen in einem solchen Fall zurück an die FIS und so möglicherweise für die Schweiz ganz verloren gehen würden. Das Worldcup-Subkomitees hat den Antrag zuhanden des FIS Councils entgegengenommen und selber keinen Entscheid gefällt.

Widersprüchliches Verhalten des Swiss Ski-Präsidenten
Das eigenmächtige Vorgehen von Swiss Ski erstaunt und befremdet umso mehr, als dass Urs Lehmann, Präsident von Swiss Ski, noch vor wenigen Tagen (09.05.2020) in mehreren Interviews (u.a. im Blick) die Wichtigkeit der Lauberhornrennen für den nationalen Schneesport betonte. Selbst ein Lauberhornrennen ohne Zuschauer erachtete er für „besser als gar nichts“. Weiter hat Urs Lehmann am 11. Mai 2020 in einem Interview, welches auf www.spox.com publiziert worden ist, festgehalten, dass die Abfahrten in Kitzbühel, Wengen und Garmisch-Partenkirchen bezüglich Einschaltquoten die besten Werte lieferten. Weiter führt er aus, dass der Skisport diese Events brauche und die Abfahrten, von allen Disziplinen am besten funktioniere. Die Tatsache, dass Urs Lehmann unter anderem am 9. und 11. Mai 2020 die ausserordentliche Wichtigkeit der Internationalen Lauberhornrennen in Wengen betonte und nur wenige Tage später die Streichung eben dieser Rennen aus dem FIS Weltcup-Kalender beantragt, ist in keiner Art und Weise nachvollziehbar. Gerade in der heutigen unsicheren Zeit wäre eine klare und aufrichtige Strategie von grosser Wichtigkeit.

Für das OK der Internationalen Lauberhornrennen ist nach wie vor eine Lösung möglich Wie bereits während der gesamten Dauer des CAS-Verfahrens ist das OK der Lauberhornrennen nach wie vor gesprächsbereit. Wir sind überzeugt, dass wir mit viel Einsatz und Herzblut sowie in Kombination mit hervorragenden Athleten, den vielen Zuschauern vor Ort und am TV auch in Zukunft herausragenden Skirennsport bieten können. Aktuell will Swiss Ski das OK der Lauberhornrennen offensichtlich mit maximalem Druck in die Knie zwingen. Anders ist das Stillschweigen der letzten Wochen seit dem CAS-Zwischenurteil sowie der Antrag, das Rennen – ohne vorgängige Information der Verantwortlichen in Wengen – definitiv und für die nächsten Jahre vom Kalender zu streichen, nicht zu interpretieren. Trotz dieser unsportlichen Vorgehensweise ist das OK der Lauberhornrennen nach wie vor für partnerschaftliche Lösungen offen.”

Originaltext von www.lauberhorn.ch

 

In einem knappen Statement äussert sich um 13.41 Uhr, nachdem die Vorwürfe des Lauberhorn-OK öffentlich geworden sind, auch Swiss Ski:

“Im Bereich der Vermarktung bestehen zwischen Swiss-Ski und den Internationalen Lauberhornrennen Wengen seit einiger Zeit Meinungsverschiedenheiten. Swiss-Ski kann die vom Organisationskomitee in Wengen gestellten finanziellen Forderungen nicht erfüllen. Da es sich um ein laufendes Verfahren vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS handelt, können diesbezüglich keine weiteren Auskünfte erteilt werden.

Aufgrund dieses Sachverhaltes hat Swiss-Ski im FIS-Long-Term-Kalender 2021/22 den eigentlichen Lauberhorn-Termin mit dem Platzhalter “SUI” versehen. Die Vergabe der Weltcup-Rennen liegt in der Verantwortung der nationalen Verbände; für die Rennen in der Schweiz folglich bei Swiss-Ski.

Da sich Swiss-Ski in einem laufenden Verfahren befindet, sieht sich der Verband gezwungen, die damit ab 2022 verbundenen Risiken zu minimeren. Mit dem Schritt, Wengen aus dem Long-Term-Kalender der FIS zu nehmen, übernimmt Swiss-Ski seine Verantwortung. Es geht für den Verband darum, dass auch in Zukunft attraktive Weltcuprennen unter wirtschaftlich guten Voraussetzungen in der Schweiz – auch am Lauberhorn – stattfinden können.”

 

Originaltext von Swiss Ski

 

Kommentar – Ein Museumsstück, das verwendet werden will

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